#dufehlst: Initiative zur Stärkung der Tiroler Wirtshauskultur
Das Wirtshaus ist ein emotionsgeladener Ort voller Geschichte und Geschichten. Hier kommt das Dorf zusammen, werden Hochzeiten gefeiert, kehrt man am Sonntag nach der Messe ein, trauert man um verlorene Angehörige, erholt sich vom Tagwerk. Für viele ist die wärmende Gaststube das eigentliche oder zumindest das zweite Wohnzimmer. Manchen ist sie ein Büro, ein Sitzungsraum. Und nicht wenigen ist sie der Ort des Verliebens.
Aus einer bereits vor der Pandemie durchgeführten Befragung der Tiroler Bürgermeister geht hervor, dass in den letzten 10 Jahren rund 10 % der Gasthöfe geschlossen wurden und dass noch knapp 10 % der bestehenden Wirtshäuser akut schließungsgefährdet sind.
Fehlt das Wirtshaus, entsteht eine Lücke – eine sichtbare, aber vor allem auch eine spürbare. Schließt ein Wirtshaus, geht ein Ort der Erinnerung, Geschichte, Chronik eines einzelnen und auch der gesamten Dorfgemeinschaft verloren. Um dem „Wirtshaussterben“ in Tirol effektiv entgegenzuwirken, hat das Land Tirol deshalb bereits im Herbst 2019 ein Maßnahmenpaket zum Erhalt der Tiroler Wirtshauskultur geschnürt. Dann kam die Gesundheitskrise, die unter anderem auch Tirols Wirtinnen und Wirte hart getroffen hat. Die Wirtshauskampagne „#dufehlst“ soll nun einmal mehr dabei helfen, leerstehenden Tiroler Wirtshäusern neues Leben einzuhauchen und die Tiroler Wirtshauskultur zu erhalten.
Josef Margreiter, Geschäftsführer der Lebensraum Tirol Holding, betont: „Tiroler Wirtshäuser als traditioneller Treffpunkt sind Nährboden für Ideen und Persönlichkeit. Nach der Devise ‚Essenszeit ist Lebenszeit‘ entfaltet sich unsere Lebenskultur mit ihren kulinarischen und sozialen Elementen in den gastlichen Stuben auf besondere Art. Unsere Tirol Werbung verstärkt das Bewusstsein für den Erhalt dieser wertvollen Familienbetriebe und unsere Standortagentur Tirol mit ihrem Übernehmer-Service vermittelt den neuen Wirtsleuten die geeigneten Standorte und unterstützt in der Startphase mit Hilfe zu Förderansuchen und Beratung.“
Alois Rainer, Fachgruppenobmann Gastronomie der Wirtschaftskammer Tirol betont die wirtschaftliche Bedeutung: „Wirtshäuser sind eigentümer- und oft sogar familiengeführte Unternehmen und es ist genau diese kleinbetriebliche Struktur, die die Basis für den Erfolg der Tiroler Wirtschaft bildet. Die gelebte Gastfreundschaft – eine Besonderheit der Tiroler Wirtshauskultur und der ,Marke‘ Tirol – ist wiederum essenziell für unsere Tourismuswirtschaft. Nicht zuletzt spielt das Wirtshaus auch eine bedeutende Rolle für die heimische Landwirtschaft, BäuerInnen als ProduzentInnen und WirtInnen als VeredlerInnen ergänzen sich perfekt.“
Erste Erfolgsbeispiele, zahlreiche Beratungen & FörderanträgeTrotz Corona konnten von der Standortagentur Tirol bereits über 50 Orientierungsgespräche mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in interessierten Gemeinden geführt werden. Daraus ergaben sich 32 Beratungen mit Wirtshaus-Übergebern und möglichen Wirthaus-Übernehmern. In 25 Beratungsfällen konnten Fragestellungen zu Betriebsanlagengenehmigungen, Förderungen, Gewerbeberechtigungen und juristischen Angelegenheiten geklärt bzw. vermittelt werden. 17 Investitionsförderungen mir rund 440.000 Tausend Euro und einem Gesamtvolumen von fünf Millionen Euro wurden seit 2019 vergeben. Hinzu kommen die Wirtshausprämie mit ca. 60.000 Tausend Euro und der Tiroler Wirtschaftsförderungsfonds in der Höhe von rund 480.000 Tausend Euro. Die vier gelungenen Revitalisierungen freuen Margreiter besonders: „Der Kampf gegen das ,Wirtshaussterben‘ ist mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen vergleichbar. Die jüngst erfolgten Wiedereröffnungen der Gasthäuser Canisiusbrünnl, Peterbrünnl, des Tirolerhofs und des Restaurants Löwen stimmen mich zuversichtlich.“
#dufehlst: Breit gefächerte Aktivierungskampagne#dufehlst wurde seitens der Tirol Werbung konzipiert, um einerseits eine breite Öffentlichkeit für „das Fehlen“ der Wirtshäuser zu sensibilisieren und andererseits die vorhandenen Service- und Förderangebote und die Chancen einer Wiederbelebung eines Traditionsstandorts bekannt zu machen. „Auf bestehende Lücken in Dörfern wird beispielsweise aufmerksam gemacht, indem Leerstände sprichwörtlich ,verpackt‘ werden und auf die Website
www.dufehlst.tirol verweisen“, so Margreiter. Die Website wurde eigens entwickelt und fungiert als Matching-Plattform zwischen Wirt und Gasthaus. Im Rahmen einer Medienkooperation werden mittels Radio- und TV-Spots unterhaltsam wichtiges Wissen rund um das erfolgreiche Führen eines Gasthauses vermittelt.
Beratertage in „Pop-Up“-Wirtshäusern Teil der Kampagne sind zudem zwei Informationsnachmittage, an denen Gastwirte, Wirtshaus(re)aktivierer und Interessierte sich umfassend zu Fragen rund um das Thema Wirtshausübergabe, -übernahme bzw. -aktivierung von Experten des Landes Tirol, der Standortagentur und der Wirtschaftskammer Tirol beraten lassen können. Alois Rainer erläutert: „Dabei kommen Themen wie Förderungen, behördliche Genehmigungen oder Betriebsanlagengenehmigungen nicht zu kurz. Besonders ist noch dazu, dass für die Beratungstage am 2. September der Gasthof Griena in Mayrhofen und am 3. September der Gasthof Post in Niederndorf extra ,wiedereröffnet‘ werden, also ,aufpoppen‘. Neben der allgemeinen Übernahmeberatung kann man sich hier an den Tagen über die betriebswirtschaftliche Nachfolge, die Digitalisierung und innovative Konzepte in der Gastronomie beraten lassen.“
Studie „Gasthaussterben in Tirol“ Mag. Mag. Alexander Plaikner vom Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck und der UMIT Tirol setzt sich seit nunmehr zwei Jahren in Kooperation mit der Standortagentur Tirol und dem Land Tirol im Rahmen der Forschungsinitiative „Gasthaussterben in Tirol“ intensiv mit den Herausforderungen und Hintergründen des „Wirtshaussterbens“ auseinander und fügt hinzu: „Wirtshäuser stellen wichtige Begegnungsorte für die Bevölkerung dar, der gesellschaftliche Wandel hat jedoch große Auswirkungen. Einfach nur Gasthaus zu sein, reicht heute nicht mehr. Der Gasthaus-Erhalt wird darüber hinaus erschwert durch komplexe Übernahmeprozesse mit risikoreichen Investitionskosten, einen Bedarf an Innovation, den Fachkräftemangel und den Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten. Deshalb ist es so wichtig wie nie, dass potenzielle Übernehmerinnen und Übernehmer im Prozess der Übernahme schrittweise kompetent beraten werden und dabei auch ein Diskurs über Innovation in den KMUs geführt wird. Die vermehrte Kommunikation des Wirtshaus-Paketes und Initiativen wie #dufehlst sind wichtige und erwartungsvolle Schritte.“ Die finalen Studienergebnisse werden im Herbst 2021 vorliegen.