Flausen im Kopf

01.04.2025
Design
Christina Schwemberger
Eigentlich wollte er ein Rockstar werden. Dass es mit den großen Bühnen dieser Welt nicht geklappt hat, ist nicht weiter schlimm. Seine Berufung hat er längst woanders gefunden. Der Innsbrucker Grafiker Charlie Zimmermann nützt sein kreatives Schaffen seit vielen Jahren für die Gestaltung von Werbekampagnen. Und so wie es aussieht, ist damit noch lange nicht Schluss.

Ein kreativer Ort

Helle hohe Räume mit viel Kunst an den Wänden. Eine Wendeltreppe, die nach oben führt. Schwarze Schreibtische mit Mac-Computern, ein Luster in der Mini-Büroküche. Die Innsbrucker Werbeagentur in der ehemaligen Seifenfabrik Walde wurde von Charlie Zimmermann gegründet. Seit über 35 Jahren kreiert der Innsbrucker Logos, Slogans und was sonst noch für erfolgreiche Werbung gebraucht wird. Dabei hatte der gelernte Grafiker ganz andere Pläne.

I want to be a Rockstar

Charlie, alias Karl Friedrich, wollte ursprünglich ein berühmter Rockstar werden. Eine kurze Zeit lang war er auf dem besten Weg dahin. Als Bassist in der „Speedy Weekend Band“ spielte er 1982 im Vorprogramm der internationalen Rockgröße Eric Burdon. Bald danach kam das Aus seiner noch zarten Musikkarriere. „Meine Kollegen waren viel talentierter als ich,“ begründet der ehemalige Headbanger seinen Ausstieg aus der Band.

Immerhin, seine Leidenschaft für die Rockmusik verschaffte ihm einen der ersten Aufträge als Grafiker. Für eine befreundete Rockband gestaltete er das Plattencover. Just wurde die Band wenig später für den österreichischen „Pop Amadeus“ nominiert, dem Nachwuchspreis für Musiker:innen. Diese Ehre kam der Band nicht für ihre musikalische Leistung zuteil, sondern für das beste Cover. Das bestärkte Charlie Zimmermann, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.

Unter den Preisen befinden sich auch viele "Tirolissmo", das ist der Werbepreis der Tiroler Wirtschaft.

Der Prophet im eigenen Land

Seither hat Charlie sehr viele Aufträge erfolgreich umgesetzt. Nicht umsonst zieren an die 60 Preise den Eingangsbereich seiner Werbeagentur. Im Jahr 2023 wurde Charlie Zimmermann zum „Arthur Zelger“-Preisträger. Diese Auszeichnung wird von der Tirol Werbung für herausragende Werbung mit Tirol Bezug verliehen. „Wenn man mit Arthur Zelger in Zusammenhang gebracht wird, ist das schon ganz etwas Besonderes,“ erklärt der vielfach Prämierte, warum er sich über diesen Preis sehr freut. „Man sieht, dass der eigene Prophet im Land etwas wert ist.“

Der Tiroler Illustrator Arthur Zelger kreierte 1974 das Tirol Logo, das auch heute noch sehr bekannt und beliebt ist. Warum das so ist, erklärt sich Charlie Zimmermann so: „Das Tirol Logo ist im Laufe der Jahre mit viel Inhalt gefüllt worden.“ Wie bei jeder guten Marke unterliegt auch das Tirol Logo einer ständigen Entwicklung, die man kaum sieht. „Das wurde hier sehr gut gemacht,“ fügt Charlie, der den verstorbenen Arthur Zelger noch persönlich kannte, hinzu. Charlie durfte öfters Werbung für Firmen gestalten, deren Logos von Arthur Zelger entworfen worden waren. Die Anweisung gleich zu Beginn war bei allen die selbe: „Lass ja das Logo in Ruhe!“ Charlie lächelt amüsiert bei dieser Erinnerung.

Blick in die Welt

Fragt man Charlie Zimmermann, dann sind Fantasie und Neugierde wichtige Voraussetzungen, um in der Branche erfolgreich werden zu können. Einen Blick über die Grenzen zu werfen, hält Charlie für empfehlenswert. „Man sollte sich unbedingt in einer größeren Stadt wie Berlin oder London umsehen, um zu lernen“, rät er angehenden Grafiker:innen. „Man muss aber nicht dort wohnen. Ich kenne genug, die von Tirol aus als Freelancer:innen für große internationale Agenturen arbeiten“. Charlie erwähnt auch die Kehrseite der Medaille: „Man wird leider oft ausgenutzt.“ 

Der Standort Tirol eignet sich sehr gut für Grafikdesign mit Weltblick. Viele in Tirol ansässige Firmen und Institutionen sind international tätig. „Man kann von Tirol aus weltweit agieren. Wir organisieren zum Beispiel gerade für einen Kunden eine Messe in Miami,“ erklärt Charlie. „Es ist wichtig, dass man einen Blick in die Welt hat, aber man muss nicht unbedingt in die Welt hinaus. Außer zu Urlaubszwecken, zum Relaxen oder um Neues zu erfahren.“

Ganz so schlimm ist es wohl nicht, sonst würde Charlie seinen Beruf nicht so leidenschaftlich gern ausüben, Tag für Tag.

Kreativ oder was?

„Schön wäre, wenn mehr Tiroler Firmen mehr Kreativität zulassen würden, dann würden sie das Potential der Tiroler Kreativen besser erkennen“, meint Charlie und erklärt seine Definition von diesem inflationär gebrauchten Begriff: „Kreativität ist für mich, die Dinge anders zu sehen. Von einer anderen Seite aus zu betrachten und daraus die Möglichkeiten zu finden,“ sagt der Designer. „Das Schöne an Kreativität ist, wenn sie ankommt. Wenn sie Reaktionen bei den Betrachtern auslöst. Wenn das funktioniert, haben alle etwas davon.“ Charlie lächelt und streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Und wie kommt man nun zu diesen kreativen Ideen? Die besten Einfälle hat Charlie in den ungelegensten Momenten, wenn er nichts zum Schreiben dabeihat. Zum Beispiel während dem Lauftraining oder bei einer Skitour. Oft gelingt es nicht, den Gedanken „einer ziemlich geilen Idee“ zu konservieren. „Passiert halt.“ Charlie zuckt mit den Schultern und lacht. Er hat das längst akzeptiert. Zum Glück sind Ideen unerschöpflich.

In der KI sieht er keine Bedrohung für die menschliche Kreativität. „Man braucht immer wieder Ideen und Arbeiten, die neu sind.“ Seiner Meinung nach ist die Künstliche Intelligenz auch nur ein Tool, mit dem man arbeiten kann. „Vor 30 Jahren hatten alle Angst, was der Computer wohl macht.“ Diese Angst hält er auch hier für unbegründet. „Wenn uns eines Tages die KI steuern sollte, tja dann sind wir selbst schuld,“ untermauert Charlie Zimmermann seine Überzeugung.

Nostalgie im Büro: Charlies erste Mac-Computer, natürlich nicht mehr in Verwendung.

Kunst eröffnet neue Welten

Charlie Zimmermann ist begeisterter Kunstliebhaber und Sammler. Er ist ehrenamtlich im Vorstand des „Kunstraums Innsbruck“ tätig, einem Ausstellungsort zeitgenössischer Kunst. „Der Ort hat offene Türen und lädt jeden ein, in die Kunst einzutauchen. Der Zugang zur Kunst eröffnet neue Welten.“ Tolle Künstler:innen, inspirierende Gespräche. Charlie weiß: „Ehrenamt tut auch gut.“

Privat darf Charlie Zimmerman Kunstwerke von berühmten Künstler:innen sein Eigen nennen. Dazu gehört auch ein Mulitple von Damian Hirst, den Charlie als offizielle Geldruckmaschine der Kunst bezeichnet. Sein Lieblingskünstler regional ist der Österreicher Thomas Feuerstein. Die Kunst dieses Künstlers ist komplex. Um ihn zu verstehen, müsste man 6 Bücher lesen. „Feuerstein baut Maschinen, die aus Bakterien Schleim produzieren, der über 4 Stockwerke in einem Frankfurter Museum tropft.“ Klingt interessant und wirft die nicht gestellte Frage auf, ob es auch wohnzimmertaugliche Kunst von Feuerstein gibt. Vermutlich schon, da Charlie auch Werke von ihm besitzt.

Bunte Farben in der Agentur vermitteln Fröhlichkeit.

Sehr wichtig: „Flausen im Kopf“

Man könnte Charlie Zimmermann als „alten Hasen“ im Geschäft bezeichnen. Er hat zwar viel Erfahrung, aber „alt“ passt zu ihm gar nicht. Was das Geheimnis seines Esprits und seiner jugendlichen Ausstrahlung ist? „Die Flausen im Kopf, die halten jung!“ meint er und grinst dabei spitzbübisch. Man glaubt es ihm aufs Wort. Deshalb ist die nächste Frage, was das Gute daran wäre, älter zu werden, obsolet. „Frag mich das in 5 Jahren wieder!“ meint er lachend.

Vielleicht spielt auch eine Rolle, wie Charlie seine Tage gestaltet. Er jongliert zwischen Ideenfindungen in der Arbeit und Abhängen in der Freizeit, vorzugsweise nach dem Klettern bei einem Bier in Starkenbach, seinem Lieblingskraftplatz. Wie in Tirol üblich, gehören noch weitere Sportarten mit dazu: Skitouren, Laufen, Golf. „Leider überall nur im Mittelmaß, weil die Zeit doch knapp ist,“ bedauert der Designer. „Aber eigentlich ist das egal, es macht Spaß und das ist mir das Allerwichtigste.“ Die Natur vor der Tür, das ist die alpine Lebensqualität, die Charlie so schätzt.

Lachen. Oft auch über sich selbst.

Wünsche für die Zukunft Tirols

Dazu hat er eine klare Vorstellung. „Ich wünsche mir eine gewisse Weltoffenheit, extreme Förderung der Jugend und der kulturellen Einrichtungen. Das Schöne ist, wenn aus dem Land heraus selber etwas entsteht, dann hat das auch viel mehr Erfolg, als man kauft sich irgendwelche Produktionen zu, die eigentlich vergänglich sind.“

Und wenn er sich etwas für die Menschen dieses Landes wünschen dürfte: „Die Welt nicht nur in Schwarz und Weiß zu sehen. Es gibt viele Farben, einen Haufen Vielfalt. Es wäre schön, wenn man eines Tages sagen könnte, dass dieser bunte Blick auf die Dinge eine typische Tiroler Eigenschaft geworden ist,“ sagt Charlie und widmet sich wieder seiner Lieblingstätigkeit zu, dem Entwickeln von neuen Ideen.

 

 

"Charlie Zimmermann ist eine herausragende Persönlichkeit der Tiroler Designszene. Er prägt seit über 30 Jahren mit konzeptionellem Tiefgang und grafischem Feingefühl die visuelle Landschaft Tirols. Mit seiner Werbeagentur kreierte er Marken und gestaltete ikonische Kampagnen. In seiner Rolle als Kreativdirektor und mit seinem Engagement an der Werbe Design Akademie hat er zahlreiche Designer:innen ausgebildet, inspiriert und deren individuelle Stärken erkannt und gefördert.

Damit spiegelt er den Geist von Arthur Zelger wider, der ebenfalls der Ausbildung und Weiterentwicklung zukünftiger Generationen große Bedeutung beimaß. Charlie zeigt, wie gutes Design zeitlos und relevant bleibt – ein würdevoller Vertreter von Kreativität und Verantwortung, der die Designkultur nachhaltig bereichert."

Berenice John, Leiterin des Designteams der Tirol Werbung und Jurymitglied Arthur Zelger Preis
Christina Schwemberger

schreibt leidenschaftlich gerne Geschichten über die Menschen in Tirol und über Themen, die das Land weiterbringen. Sie ist in Axams zu Hause, wo sie oft mit ihrem Hund in den Bergen unterwegs ist.