Königlicher Kraftakt

22.04.2025
Architektur
Landwirtschaft
Tradition
Alexandra Keller
Mit liebevoller Konsequenz, totalem Körpereinsatz und befeuert von der schönen Überzeugung, ein unvergleichliches Bauernhaus für alle Zeiten erhalten zu wollen, hat Willi Buchhammer den Hof restauriert, der seither den Namen seiner Familie trägt. Im 1890 erbauten und ziemlich wackeligen Altbau entdeckte Willi einen Rohdiamanten. Er machte daraus ein Schmuckstück. Ja, der Buchhammerhof in Kaunerberg ist ein prächtiges Tiroler Bau-Juwel. Für immer.

Die Wohlfühl-Energie, mit der dieses Haus seine Besucher:innen empfängt und umarmt, ist erstaunlich. „Ich habe das auch gemerkt. Das ist so ein feines Haus. Das hat wahrscheinlich damit zu tun“, sagt Willi Buchhammer. Mit damit meint er zwei Zeichen auf der Aussenfassade des Hauses. Eine Schlange und eine Hand sind da zu sehen. Stilisiert, verwittert, magisch. „Die sollen Unheil fern halten. Das ist von früher, zur Abwehr von bösen Kräften oder Geistern. Das funktioniert“, weiß Willi.

Er muss es wissen, wohnt er doch in diesem Haus, dem Buchhammerhof, der da stolz am Hang steht, auf einer Seehöhe von 1100 Metern – in der Gemeinde Kaunerberg im Tiroler Oberland – und doch recht allein. Der Martinsbach, nach dem dieser Riedel beziehungsweise Weiler benannt ist, plätschert nahe. Die teils abenteuerliche Straße endet bald. Die prächtige Bergwelt des Kaunertals verlockt in der Ferne und löst die Enge des Tals über den Gipfeln in Luft auf.

unsereins: Es ist schon ein ziemlich erhabener Platz hier. Königlich, möchte man meinen. Bist du so etwas wie der König von Kaunerberg?

Willi Buchhammer: Ich bin eigentlich der Willi vom Buchhammerhof und biete den Gästen den königlichen Ausblick oder den königlichen Platz da.

 

Dass er das machen und den Gästen eine unvergleichliche Zeit bescheren kann, ist eine eigene Geschichte. Eine rundum ungewöhnliche. Eine, von der es schon schön wäre, wenn sie egal wo in Tirol um viele Kapitel ergänzt werden würde. Dann, wenn Willi Nachahmer findet – so wagemutig und überzeugt, wie er. „Es war mein Anliegen, das zu erhalten und weiterzugeben. Ich finde, es ist ein Kulturgut“, sagt er. Mit dieser Überzeugung und diesem klaren Ziel vor Augen und im Herzen hat Willi den Hof 2017 erworben. Und das, trotzdem nur noch Siebenschläfer im 1890 errichteten Milchbauernhof am Martinsbach wohnten beziehungsweise schliefen und das Haus sich arg morsch und baufällig und schief präsentierte. Es war wie eine Rettungsaktion in letzter Sekunde. Knapp zwei Jahre zuvor war bereits der Stall abgerissen worden. Auch das Haus sollte geschliffen werden. „Dann wäre dieses Riedel verschwunden“, weiß Willi. Ist es nicht.

Der Buchhammerhof in Kaunerberg, liebevoll in Eigenregie renoviert.

unsereins: Einen Steinwurf aber doch 250 Höhenmeter vom Kaunerberg liegt Kauns, wo deine Familie die Fischzucht und das Restaurant betreibt. War dir der Hof hier oben schon als Kind bekannt?

Willi: Ich habe ihn flüchtig gekannt, von unten von der Straße, vom vorbei fahren. Da hat er immer schon so ein bissl heruntergethront der Hof. Da habe ich immer hingeschaut. Dass der Hof aber einmal meins wird, habe ich mir nie träumen lassen.

 

In diesem Fleckchen Kaunerberg steckt viel Geschichte des Landes und der Menschen, die hier wohnten und die Kulturlandschaft traditionell kleinräumig bewirtschafteten. Bis 1775, in die Zeit des Theresianischen Katasters also, kann die Besitzergeschichte der Hofstelle lückenlos aufgeschlüsselt werden. Ab 1806 lautete der Nachname der Besitzerfamilie Falkeis. Josef Pepi Falkeis (1929 – 2015), den Willi flüchtig kannte, war der letzte Hofbesitzer aus dieser Familie gewesen. „Seine Schwester hat zu ihrer Tochter gesagt, schau’, dass der Willi das kauft, der will es nicht abreißen“, sagt Willi, der das Erbe der Familie Falkeis hochhält. Etwa, indem er die Ferienwohnungen nach den letzten hier groß gewordenen Falkeis-Kindern Pepi, David und Josefa benannte. Oder eben, indem er den Hof zusammenhält und die Grundstücke bewirtschaftet.

Deren teilweise Hanglage machte das noch nie allzu einfach. Diese Felder zu mähen, erfordert Schmalz – auch von Willi und seiner Familie. Das trockene Heu – a guats Ha – ist im Winter Futter für die Rot- und Damwild-Familien, die zur Buchhammer’schen Landwirtschaft in Kaunerberg zählen. Auf rund drei Hektar von Willis Onkel tummelt sich da das Wild. „Ich könnte viel mehr Wild drinnen haben. Wir machen aber eine ganz niedere Landwirtschaft, dass es dem Wald gut geht, dem Viech gut geht und uns auch gut geht“, erklärt Willi seine nachhaltige oder besser bodenständige Logik, die mit dem großen Sanierungs-Vorhaben ziemlich strapaziert und ausgereizt werden musste.

Das meiste Holz kommt aus dem eigenen Wald etwas oberhalb des Hofes.

unsereins: Gab’s angesichts des gigantischen Arbeitsaufwandes, der zu erwarten war, auch Zweifler in der Familie oder waren alle Feuer und Flamme für das echt alte Gemäuer?

Willi: Meine Frau habe ich ein bissl überzeugen müssen, sie war aber gleich im Boot und sagte, Willi, wenn du das willst, dann kaufen wir den Hof selbstverständlich. Mein Vater hat schon zwei-, dreimal zu mir gesagt, das ist nichts G’scheits, wir müssen da was G’scheits hermachen. Den schleifen wir. Die älteren Leute sind ein bissl so. Ich sagte aber immer, das tun wir nicht, das tun wir nicht. Dann war er damit einverstanden. Heute, wenn wir durchgehen oder er mit seinen Freunden kommt, dann ist er richtig stolz darauf. Mein Vater hat mir am meisten geholfen, wir zwei haben das gemacht und er hat so einen Stolz, dass man den Hof nicht abgerissen hat und ich bin stolz, dass ich nicht nachgegeben habe und gesagt habe, nein, den richten wir wieder.

unsereins: Gab’s im Ort vielleicht Leute, die dachten, dass du spinnst?

Willi: Ja, da hat’s viele gegeben. Sie sagten, was will denn der mit der alten Schabracken da, dem alten Haus, das rumpelt ja zamm, das muss man abreißen, jetzt spinnt er. Der Bankdirektor auch – er meinte, wie kannst du denn so viel Geld in die Hand nehmen und da investieren. Aber es hat auch Leute gegeben, die sagten, boah Hut ab, dass du so vollen Einsatz zeigst und das richten und benutzen willst – des Hoamatl, also die Bauernschaft, die Landwirtschaft.

 

„Wo zwei Willis, da ein Weg“, lautet Willi Buchhammers Lieblings-Motto und damit ehrt er den zweiten oder besser ersten Willi Buchhammer, seinen Vater, ohne den er den Umbau nicht geschafft hätte. Auf dem mühsamen Weg von der Schabracke zum stolzen und mehrfach ausgezeichneten architektonischen Schmuckstück nicht minder wichtig waren Walter Hauser, bis Ende 2023 Tiroler Landeskonservator, und der Landecker Architekt Harald Kröpfl, den eine ebenso starke Liebe zum Alten, Erhaltungswürdigen und Geschichtsträchtigen antreibt, wie Willi.

Eine außergewöhnliche Besonderheit stachelte das dynamische Trio regelrecht an, handelt es sich bei diesem bäuerlichen Wohnhaus doch um einen so genannten Doppel-Paarhof mit zwei spiegelgleichen Hausteilen für zwei Familien. Dort, wo auf der einen Seite die Küche gewesen war, war auch die Küche auf der anderen Seite. So zieht sich das bis hin zu den Kammern durch. „Da waren sicher 15 oder 16 Leute im Haus. Die beiden Brüder mit den Ehefrauen und Kindern“, sagt Willi.

Mit seiner Frau Karin und seinen Kindern Moritz, Klara und Lina sowie den Gästen in den drei Ferienwohnungen vermag er die Lebendigkeit, die früher hier geherrscht haben muss, jedenfalls auf feinste Weise wiederzubeleben. Mit den Einnahmen aus der Vermietung kann Willi den Kredit bedienen, der wohl unmöglich hoch ausgefallen wäre, würden die beiden Willis nicht so viele Fertigkeiten und handwerkliche Fähigkeiten besitzen.

Mit dem Bundesdenkmalamt kann man reden! Es sind auch moderne Elemente realisierbar, wie zum Beispiel diese Kellerstiege.

unsereins: Anlässlich der Auszeichnung mit dem Österreichischen Bauherrenpreis 2024 wurdest du in der Tageszeitung Standard als Gastwirt, Vermieter, Brotbäcker, Fischzüchter, Schnapsbrenner, Baggerfahrer, Trockensteinmaurer, Kalklöscher, Kalkverputzer und Dachstuhlzimmermann beschrieben. Bist du der „Wunderwuzziwilli“, als den Architekt Harald Kröpfl dich bezeichnet?

Willi: Na, die übertreiben da alle ein bissl. Ich lasse mir vieles sagen. Dank des Denkmalamtes, des Netzwerks, habe ich viele Arbeiter kennengelernt. Sie haben die Kontakte hergestellt und ich habe mir viel sagen und erklären lassen. Ob ich alles richtig kann, weiß ich nicht. Aber ich probiere halt, alles anzupacken – oder vieles.

unsereins: Willst du wieder einen Stall bauen?

Willi: Genau. Das ist das nächste Projekt. Da habe ich sicher noch zwei Jahre Arbeit. Es ist ein Bauernhof gewesen und wird auch wieder einer. Oben mache ich es dann so, dass ich das ganze Heu einlegen kann mit dem ich im Winter zum Wild fahre, zum Füttern.

unsereins: Gab’s in der großen Bauzeit Momente, in denen du alles hinschmeißen und – sagen wir – nach Ladis auswandern wolltest?

Willi: Nein, da wäre ich eher in Richtung Kaltenbrunn gegangen und hätte darum gebeten, dass alles gut geht.

Die Symbole der Vorbesitzer und Kerzen in der Wahlfahrtskirche - dieser Hof ist beschützt.

Die Wallfahrtskirche Kaltenbrunn ist eine gute Stunde Fußmarsch vom Buchhammerhof entfernt. Die Herkulesaufgabe hätte andere Bauherren vielleicht öfter mal dazu inspiriert, dort die eine oder andere Kerze anzuzünden. Für die Arbeiten bildete der Weg, auf dem das ganze Baumaterial transportiert werden musste, eine der größten Hürden. „Ich musste alles unten von den Lkw auf den Traktor umladen und hochfahren. Das war schon viel Arbeit – aber mit meinem Vater und meinen Freunden habe ich das alles geschafft“, erzählt Willi. Ja, das hat er, selbst wenn ihn die Herausforderungen immer wieder überrascht haben. Weil das Haus schief stand, musste es beispielsweise gerade gerichtet beziehungsweise hangseitig um rund 20 Zentimeter angehoben werden. Das schreibt sich federleicht, war aber eine unheimlich heikle Aufgabe, die viel Geschick erforderte, auch weil das Gebäude leicht zusammenbrechen hätte können. Um das Haus so originalgetreu wie möglich zu sanieren, lernte Willi von den Profis, die ihm das Denkmalamt vermittelte, vieles – auch das Kalklöschen, um die Fassade selbst sanieren zu können. „Ich bin da voll begeistert und kann nur jedem raten: Bitte das Bundesdenkmalamt nehmen, weil erstens bekommst du eine finanzielle Unterstützung und zweitens ist es ja auch für die Nachwelt, die nächsten Generationen. Wir sind ja nicht allein da. Es gibt Kinder, Kindeskinder, an die wir es weitergeben sollten. Ja, ich würde da sehr gerne Mut machen“, sagt Willi.

 

Königlich thront der Buchhammerhof, ehemals Martinsbacher, am Hang.

unsereins: Du hast selbst beantragt, dass der Hof unter Denkmalschutz gestellt wird. Ist das so ungewöhnlich, wie es klingt?

Willi: Sie haben schon gesagt, dass sie das auch noch nie gesehen haben, dass da einer kommt und sagt, ihr müsst mich bitte schützen, kommt rauf und schaut euch das an. Aber mir war das so wichtig, dass das für die Nachwelt geschützt wird.

unsereins: Sind deine Ideen vonseiten des Denkmalamtes berücksichtigt worden?

Willi: Ganz genau. Wie beim Eingang, bei den großen Fenstern. Das war auch so ein Gedanke von mir. Früher haben die Frauen auf der Bergseite gekocht, wahrscheinlich auf einem Dreckboden. Sie hatten das kleinste Fenster, das ärgste Loch. Da sagte ich zu Walter, das will ich anders haben, ich möchte ein großes Fenster. Da sagte er, selbstverständlich, das ist überhaupt kein Problem. Du kannst also sehr gut mit ihnen reden und sie gehen auf deine Wünsche ein.

unsereins: Eure Arbeit wurde 2024 mit dem Tiroler Sanierungspreis und dem Österreichischen Bauherr:innenpreis ausgezeichnet. Macht dich das stolz?

Willi: Das macht mich stolz und glücklich, gleichzeitig ist es eine Anerkennung für meine Familie – besonders für meinen Vater. Ich will nicht im Vordergrund stehen, aber da sehen auch andere Leute, dass man mit so einem alten schönen Haus tolle Preise gewinnen kann.

unsereins: Wie wohnt es sich denn im Buchhammerhof?

Willi: Da komme ich auf deine erste Frage zurück: Königlich. 

 

 

Alexandra Keller

ist freie Journalistin und Autorin. Sie lebt und arbeitet in Innsbruck.