Nein, kein Engel

03.03.2025
Kultur
Musik
Alexandra Keller
Mit einem Eierschneider hat ihre Karriere begonnen. Heute ist Margret Köll eine der erfolgreichsten und vielseitigsten Harfenistinnen der Welt. Egal, ob auf größten Bühnen oder in kleinsten Kapellen – das Saiten-Spiel der Tirolerin verzaubert. Sie wirkt dabei wie eine aparte Naturgewalt und sagt: „Der Spaßanteil ist wirklich sehr hoch.“ Oh ja.

Typisch, untypisch

Dass sie in Erinnerung an diese magischen Klänge herzhaft lacht, hat gute Gründe. Denn fast hätte sie den Auftritt, der als ein Höhepunkt ihrer Karriere bezeichnet werden darf, abgesagt. Eine zeitgleiche Produktion mit der grandiosen Opernsängerin Cecilia Bartoli in Zürich hatte die in Tirol geborene Musikerin reisetechnisch abgeschreckt. Als ihr dann aber dringlich dazu geraten wurde, überwand sie die Distanz zwischen Zürich- und Nordsee. „Das ist typisch für mich. Jetzt bin ich froh darüber“, so Margret. Zu ihrem Typ gehört es offensichtlich auch, total untypisch zu sein.

Kein Engel

Beim Gedanken an Harfenistinnen drängt sich fast schon mit Gewalt das Bild eines leicht blutarmen Engelchens auf – mit blondem Haar und durchgeistigtem Blick. Weit gefehlt. Ganz verkehrt. Margret hat tiefdunkles Haar und ihre Energie scheint die ganze Zeit mit ihrer Präsenz um die Wette zu eifern. Ihr Blick verrät einen wachen, witzigen, koketten Geist und nicht zuletzt einen starken Willen. Ein Wille, der sich schon ziemlich früh um die Harfe drehte – und das bald so intensiv, dass sie regelrecht mit ihr abgehoben ist.
Eierschneider-Harfe

Margret ist 1971 in Zams geboren und in Haiming im Oberinntal aufgewachsen. „Musik war ein Riesenthema in unserer Familie. Wir sind viel zu Konzerten nach Innsbruck gefahren und da habe ich die Harfe in verschiedensten Kontexten gehört – klassisch im Symphonie-Orchester oder in der Volksmusik, wo’s mit der Harfe ganz anders abgeht“, erzählt sie. Früh lernte sie das Hackbrett zu spielen und auch das Klavier. Es gab viele Instrumente im Haushalt der Kölls – aber keine Harfe. „Doch wir hatten einen Eierschneider in der Küche. Auf dem habe ich dann gleich Orpheus-mäßig gespielt“, unterstreicht Margret nicht nur ihre haptische Kunstfertigkeit, sondern auch die mythologische Kraft ihres Instruments – schließlich ist es Orpheus, diesem singenden Helden der griechischen Mythologie, gelungen, mit den Klängen der Harfe die schrecklichen Furien zu besänftigen.

Doch ein Engel?

Blickfang

Als der Eierschneider dann durch eine Tiroler Volksharfe ersetzt wurde, hat Margret weniger wilde Weiber, sondern viel lieber ihren Vater in den Schlaf gespielt. Weil Harfenklänge eben auch diese Wirkung haben können, ist Margret nicht sauer, sollte mal jemand im Konzert einschlafen, „ich nehme das eher als Kompliment.“ Diese Großmut gegenüber ihren Zuhörer:innen ist wohl nicht oft gefordert, gelingt es ihr doch immer, die Zuhörer:innen auch beim Zusehen in ihren Bann zu ziehen. Ob auf den tollsten Opern- und Konzert-Bühnen der Welt, als Solistin oder in Orchestern, bei Festspielen oder den Festwochen der Alten Musik und nicht zuletzt als Mitglied des großartigen Tiroler Ensembles Die Knödel zieht sie Blicke an und weckt dabei auch Neugier für ihre Harfe, die anders ist, als die gemeinhin bekannten.

3D-Harfe

„Die Triple-Harfe ist mein Hauptinstrument“, sagt sie und schenkt der schlanken Schönheit – für’s Interview hat Margret eine italienische Barockharfe mitgebracht – einen liebevollen Blick. Anders als die in Tirol so bekannte und beliebte Volksharfe, anders auch als die Konzertharfe hat diese Harfe keine Pedale. Es ist eine Arpa doppia a tre registri – eine Doppelharfe mit drei Saitenreihen – und diese drei Saitenreihen sind der Clou: „Es ist eine chromatische, eine 3D-Harfe. Die Ära dieser Harfen hat in der Renaissance begonnen und sie hat bis ins 18. Jahrhundert überlebt.“ Die Industrialisierung fegte die Triple-Harfen regelrecht aus den Konzertsälen – bis, ja bis sie von enthusiastischen Klangheld:innen wiederentdeckt und das komplexe Spiel mit den drei Saiten wiederbelebt wurde.

Margret Köll im Spanischen Saal im Rahmen der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik

Neue, alte Welt

Als Margret begann, die Volksharfe zu spielen, tat sie das ebenso ohne Pedale. Ihre Beine waren schlicht zu kurz dafür. „Ich bin am Tisch gesessen und habe die ersten zwei Jahre einfach autodidakt gespielt – daheim mit allen 10 Fingern – in erster Linie Volkslieder“, weckt sie ein witziges musikalisches Kopfkino. Als Margret groß genug war, tauchte sie voll ein in die Harfenwelt, lernte, spielte und überzeugte Lehrer:innen wie Publikum rasch von ihrem Talent, auf das mit der Tripleharfe eine neue Herausforderung wartete. Margret: „Ich musste da noch einmal studieren, weil das wie eine neue Welt ist – von der Technik her und der Art zu spielen.“

Defibrillator

Ihre Art zu spielen wurde zunehmend exzeptionell. Dass Margret heute als international führende Vertreterin auf dem Gebiet der historischen Harfe gilt, zeugt von einer ganz besonderen Gabe – und Hingabe. Mit der Gründung der interdisziplinären Plattform Harfenlabor hat sie dem Wissen um die historische Harfe einen klingenden Defibrillator angesetzt und mit der Harfenbiennale Innsbruck kickt sie seit 2021 die historische Harfe in all ihren Formen und Klängen und Spielarten in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: „Das Festival musste ich in Tirol aufziehen. Hier gibt es eine unglaubliche Harfentradition, das ist den Menschen gar nicht so bewusst.“ Ihr schon. In dieser Tradition stecken ja auch die Wurzeln ihrer Ausnahme-Virtuosität. Und auf die Frage, welcher denn der beeindruckendste Konzertsaal war, in dem sie gespielt hat, sagt Margret: „Mir gefällt eine kleine Kapelle im Ötztal genauso gut, wie die Elbphilharmonie. Es hängt immer davon ab, dass die Leute gerne die Musik hören. Dann ist die Magie in beiden Fällen vorhanden.“

Weitere Informationen: Margret Köll

„Tirols Kulturveranstaltungen wie die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik ziehen nicht nur internationale Stars an, sondern schaffen auch inspirierende Erlebnisse für Gäste wie Einheimische.

Es sind Künstler:innen wie Margret Köll, die dazu beitragen, den Lebensraum Tirol ganzjährig attraktiv und lebendig zu gestalten.“
 

Sarah Blümel, Fachexpertin in der Tirol Werbung für die Weiterentwicklung der Themen Kultur & Kulinarik. -
Alexandra Keller

ist freie Journalistin und Autorin. Sie lebt und arbeitet in Innsbruck.