Bereits seit 1938 ist der Grund am Wilden Kaiser im Besitz von Marias Familie. Bevor das Paar das Anwesen 2014 übernommen hat, wurden die Felder verpachtet. Die intensive Bewirtschaftung hatte zerstörte, nährstoffarme Böden zur Folge und es gab kaum Platz für Insekten oder Amphibien. Mit der Mission, andere Menschen für die Gewinnung der Artenvielfalt zu begeistern, funktionierten Maria und Harald die knapp zwei Hektar große Fläche um. Aus dem Wirtschaftshof wurde Going Artenreich – ein wahres Paradies für Insekten, Vögel und andere Kleintiere. „Wir produzieren nicht die klassischen Produkte wie Milch, Fleisch oder Käse. Unser Produkt ist die Artenvielfalt. Wir schaffen Lebensräume für verschiedene heimische Insekten und Pflanzen“, erklärt Maria. Hilfe bei der Wiederherstellung der Natur bekommen die beiden Eigentümer von engagierten Freiwilligen und Ökolog:innen. Mit der Renaturierung steigert der Hof außerdem die Biodiversität am Land und ist Vorbild für andere Grundbesitzer:innen.
Schritt für Schritt aufblühen
Die Umgestaltung der Grünlandwirtschaft erfolgt Schritt für Schritt mit jährlichen Projekten. „Wir wollten hier etwas machen, was uns wirklich wichtig ist und bei dem wir voll dahinterstehen können. Deshalb haben wir ein Naturschutzprojekt nach dem anderen umgesetzt“, so Harald. Über die Jahre wurden zum Beispiel eine Wildkulturhecke angelegt, ein Naturteich errichtet oder eine Trockensteinmauer gebaut. Tiere und Insekten sollen so die Möglichkeit bekommen, einen Unterschlupf zu finden, Nistplätze zu errichten und Schutz vor der Mahd erhalten. Um dieses Angebot zu ermöglichen, achtet Going Artenreich auch auf die Mähzeiten und setzt artenfreundlichere Geräte ein, womit mehr als 80 % der Kleinlebewesen erhalten bleiben – alles ganz insektenschonend.
Auch Pflanzen und Blumen, die oft auf Grund der Überdüngung von Wiesen nicht mehr wachsen, bekommen in Going wieder Platz zum Blühen. Neben üblichem Löwenzahn sind am Naturschutzhof auch Glockenblumen, Wiesensalbei oder Beinwell zu finden. Maria und Harald verzichten auf ihren Feldern nämlich auf Pestizide oder künstlichen Dünger. Selbst im Gemüsebeet und im Streuobstgarten werden nur Mist der am Hof lebenden Tiere oder Schafsfell und Jauche eingesetzt. Dadurch bekommen auch die Abfälle der fünfzehn Hühner, sieben Schafe und drei Wachteln einen Nutzen. Die Tiere des sogenannten „Lebenshofs“ dürfen bei Going Artenreich ihren Lebensabend genießen, ganz ohne Leistungsdruck. Am Hof wird auf die Bedürfnisse der tierischen Mitbewohner:innen geachtet. Gleichzeitig tragen sie zur wichtigen Kreislaufwirtschaft bei.
Natürlich Urlaub – Der Artenreich-Hof lädt ein
Im traditionellen Bauernhaus wurde mit Secondhand-Möbeln und Originalstücken des Hofes eine gemütliche Atmosphäre geschaffen. Das Herzstück des Anwesens vermietet das Paar an naturliebende Urlauber:innen. Vegane Decken, Bettwäsche aus Baumwolle und Bio- sowie Fairtrade-Produkte spiegeln auch im Inneren des Hofes die Nachhaltigkeit und den Gedanken an die Natur wider. So soll im Idealfall auch die Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgen. Vom Bahnhof aus bieten Maria und Harald einen kostenlosen Shuttle zum Hof an. Vor Ort kann vom Radfahren im Sommer bis zum Langlaufen im Winter gesportelt oder einfach die vielfältige Umgebung genossen werden. Außerdem können Gäste interessantes Wissen zu Naturschutzmaßnahmen und artenreichen Blühwiesen mitnehmen. „Es ist uns ein Anliegen, dass wir unseren Betrieb öffnen und Menschen zu uns kommen, um die verschiedenen Bio-Diversitätsmaßnahmen anschauen können. Vielleicht bekommen sie dann auch eine Idee davon, was sie selbst im eigenen Wirkungsbereich umsetzen können“, so Maria.
Dieses Wissen und das nachhaltige Leitbild haben dem Projekt bereits einige Auszeichnungen eingebracht. Denn Going Artenreich gefällt nicht nur den Schmetterlingen und Eidechsen. Grand Prix der Biodiversität, Beeraiffeisen Award oder Greenspiration Award – der Naturschutzhof am Wilden Kaiser überzeugt mit seiner Mission und den naturfreundlichen Aktionen. Im Mai 2023 wurde der Artenreich-Hof zum Klimabündnisbetrieb „Mitglied des Monats“ ernannt. Zwar brauchen die Wiesen und Bäume im Streuobstgarten noch etwas Zeit, sich vollständig zu erholen, bei Maria Schmidt und Harald Stoiber bekommt die Natur aber den nötigen Raum dafür wieder zurück.