Ein Rundgang durch das Gemüseland in Hall lässt den Besucher an jeder Ecke staunen. Die ehemalige Kaserne hat sich in eine eigene Wirtschaftswelt verwandelt. Tonnen von Tiroler Gemüse werden hier sortiert, gereinigt und verpackt. Hinter dem Gemüseland stehen fünf Bauern, die vor einigen Jahren die Wahl hatten: jeder baut seinen eigenen Hof mit eigener Infrastruktur oder alle zusammen entwickeln ein nachhaltiges Projekt, das zum Vorzeigebeispiel werden kann. 2017 ist das Gemüseland in Vollbetrieb gegangen. Heute sind sich alle einig: der Mut hat sich gelohnt.
Entscheidung für Regionalität und Ressourcenschonung
Wir stehen mit Geschäftsführer Christian Braito vor der eindrucksvollen Photovoltaikanlage, die das Gemüseland zur energieautarken Welt werden lässt. 2000 Megawatt-Stunden kommen hier zusammen. Zum Vergleich: das entspricht dem Energiebedarf von 550 Einfamilienhäusern pro Jahr.
Und diese Energie wird an vielen anderen Punkten möglichst effizient genützt. Ein Beispiel: die Kühlhäuser werden mit Grundwasserkühlung betrieben. „Das bringt eine Stromersparnis von 30 Prozent“, erläutert Christian Braito stolz, „und wir vermeiden dazu noch jede Lärmentwicklung“.
Nach der Kühlung wird die Restwärme aus dem Grundwasser für die Warmwassererzeugung in den 350 Mitarbeiterunterkünften verwendet. „Regional und ressourcenschonend zu arbeiten war uns von Anfang an wichtig“, sagt Christian Braito. Deshalb wird das Grundwasser großflächig versickert und fast zur Gänze temperaturneutral mit 12 bis 14 Grad in den Boden zurückgeführt.
Natürlich wirtschaften in allen Bereichen
Das „Smart City-Konzept“ im Gemüseland geht aber noch weiter. Mehr als 100 Fahrzeuge werden an der betriebseigenen Rapsöl-Tankstelle befüllt. Die CO2-Belastung kann so um die Hälfte reduziert werden. Überhaupt ist Verkehrsvermeidung ein großes Thema: „Die fünf Bauern handeln ja auch intensiv untereinander, und das geht auf dem gemeinsamen Areal eben mit kurzen Staplerfahrten anstatt mit einem Lkw von Hof zu Hof“, erklärt Christian Braito. Gemeinsame Anlagen wie eine riesige Karotten-Sortierstraße, Verpackungseinheiten und eine ausgefeilte IT – alles das spart Ressourcen und trägt zum nachhaltigen Erfolg des Projektes bei.
Gemeinsam stärker
Natürlich hat es viel Abstimmung gebraucht, um die die Zusammenarbeit der fünf großen Gemüsebauern zu organisieren. „Aber wir waren uns alle bewusst, dass wir hier in Tirol naturnah und ressourcenschonend arbeiten wollen. Das ist naheliegend, weil wir Naturprodukte herstellen und deshalb hat jeder einzelne Produzent auch ein besonderes Verhältnis zur Natur und zum Lebensraum Tirol“, führt Braito weiter aus.
Wenn man über das Gelände des Gemüselandes streift, denkt man unwillkürlich daran, wieviel die Photovoltaik, die Grundwasserbrunnen usw. gekostet haben. Doch Geschäftsführer Braito zerstreut solche Überlegungen: „Unsere Erfahrung zeigt, dass wir durch diesen nachhaltigen Ansatz längst auch wirtschaftlich auf der Erfolgsspur sind. Wir vermeiden durch die Logistik an einem Platz so viel Verkehr und Energieverbrauch, dass sich die Investitionen für jeden einzelnen Betrieb lohnen. Dabei können wir übrigens auch höchste Hygienestandards einhalten – gerade in den letzten Wochen ein Riesenthema.“ Trotz des gemeinsamen Wirtschaftens produziert jeder der fünf Bauern nach eigenen Vorstellungen und vermarktet auch selbst – das sichert die Eigenständigkeit und zeigt, dass sich Individualität und sinnvolle Zusammenarbeit keineswegs ausschließen müssen.
Ein Modell zum Nachmachen
Ein derart großer Zusammenschluss von fünf ressourcenintensiven Betrieben ist geradezu ideal um als Vorbild für andere zu dienen. Die Vorteile in logistischer, energetischer und finanzieller Hinsicht sind überzeugend. „Dabei braucht es aber“, weiß Christian Braito aus Erfahrung, „eine gewisse Größe, um solche Vorteile auch wirtschaftlich nützen zu können. Etwas Gemeinsames zu schaffen ist auch nicht immer ganz einfach. Aber die Beharrlichkeit und die Kompromissbereitschaft der einzelnen Unternehmen zahlt sich letztlich aus.“